Heute trist. Eng von allen Seiten. Der Lärm drückt. Sehnsucht nach Ruhe. Es zieht in die Natur an einen Zufluchtsort. Aus dem Auto ausgestiegen, tiefen Furchen von schwerem Gerät. Motorsägengeräusch, durchdringend.

Es ist die Zeit der Herbststürme, bei jedem Sturm bange ich um die wenigen alten Bäume hier in der Gegend. Die Ausläufer eines Orkantiefs haben hier einigen Schaden angerichtet, die Nachbarschaft begegnet dem Ganzen mit einer beeindruckenden Baumfällorgie; Beim nächstem Sturm könnten die ‚Dinger‘ auf Strasse, Haus oder aufs Kind fallen. Weg mit dem Zeug, wer braucht schon Bäume, Büsche sind doch auch ganz schön.

Ich setze meine Runde fort, sehe noch den Mann, der fleissig die ‚zu entnehmenden Hölzer‘ markiert, nix mehr Zuflucht.
Überall Maschinen; Es brummt, lärmt, kracht, birst. Zurück bleibt eine Landschaft, die anmutet wie nach einem Krieg. Es hat so viel geregnet und die Böden sind aufgeweicht, tragen die riesigen Maschinen nicht, tiefe Furchen wo immer ich hinsehe, nebenan ein todgespritztes Feld.

Schlaflied für einen besonderen Ort – Samstag, 4. November 2017

All die Jahre bin ich hierher gekommen, wenn mir alles zu viel wurde, zu laut zu eng, bin auf Deinen Pfaden gewandelt, habe mich von Atmosphäre und der Kraft inspirieren lassen. Du hast mich viele Male geheilt, beruhigt und ich bekam wieder Luft. Ich habe Dich kennengelernt bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Du warst mein Kraftplatz. Hier, bei Dir habe ich mich wieder gespürt, neuen Mut geschöpft und mich verzaubern lassen von den vielen besonderen Flecken, manche mystisch, manche verwunschen. Ich habe Glühwürmchen gesehen und von Fabelwesen geträumt. Ich habe gesehen, dass es anderen Menschen hier genauso geht. In unzähligen Bildern habe ich versucht das, was Dich so besonders machte einzufangen aber dieses Etwas, was Dich ausgemacht hat, hat sich nicht bannen lassen. Ich danke Dir dafür.

Heute finde ich Dich zerstört, der Boden aufgerissen, vernarbt, zerfurcht, die großen Bäume gefällt, die mittleren auch, die kleinen auch, zerstört. Bäume, die ich seit Jahren kenne, die ich geliebt habe, gefällt. Überall. Etwas ist hier geschehen, für das ich keine Worte habe, nur Tränen. In der Dämmerung stehe ich da und versuche mit meinen Stiefeln den Boden wieder zu glätten und ich schäme mich. Es hat einen Tag gebraucht mit großem Gerät und Motorsägen einen wundervollen Ort in einen Schauplatz der Verwüstung zu verwandeln, manches von Dir ist unwiederbringlich fort. Und jetzt? Einfach alles liegen gelassen, einfach so. Es wird Jahre dauern, bis Du Dich erholt hast. Ich möchte gerne kommen, um aufzuräumen und Deine Wunden verarzten. Ich möchte den Tieren erklären, warum das nötig war. Ich schäme mich für meinesgleichen und ich bin unendlich traurig.

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